Liege seit 2 Stunden wach und kann nicht schlafen, weil mir Millionen Gedanken im Kopf rumgehen. Also lieber aufstehen und aufschreiben, damit der Kopf wieder Ruhe bekommt.
Die ganze "Sticks and Carrots" Idee hat mich schon immer fasziniert. Fasziniert aber in einem eher negativen Sinn. Mein Leben lang habe ich sie gehasst das Zuckerbrot und die Peitsche. Ich bin mir ziemlich sicher, das diese Idee auch nicht ewig existieren wird, das die Menschen erkennen, wie dämlich dieses Prinzip ist, aber für den Moment ist es wohl so wie mit einer Supernova - kurz vorm Ende dehnt sie sich nochmal extrem aus.
Die Welt ändert sich immer schneller, das ist eine alte Binsenweisheit, klar. Aber wie schnell das teilweise vor sich geht, ist schon heftig. Wir sind eine zunehmend emphatische Spezies und die alten Muster und Gedankenkonzepte funktionieren immer weniger.
Wie fange ich am besten an zu erklären was ich meine. OK gut die Banker und die Boni, das ist schon ganz klar. Die Geschichte hat uns eine heftige Weltwirtschaftskrise beschert. Die Boni sind zu hoch, die Banker unmoralisch, nun rufen viele ganz laut nach der Peitsche um das Zuckerbrot in Grenzen zu halten. Die Grundannahme hier: der Mensch ist von Natur aus nicht gut, sondern muß immer mit Stick oder Carrot motiviert werden sonst tut er nichts. Wenn die Karotte zu fett ist, wie bei den Banker-Boni dann los schnell mehr Regeln einführen, damit die Banker durch die Regeln auf die rechte Bahn gebracht werden. Das funktioniert aber nicht. Hat nie funktioniert und wird nie funktionieren. Es wird immer Möglichkeiten geben, Regeln zu brechen zu biegen etc. Das heißt, wenn man will, dass die Banker sich moralisch richtig verhalten, dann schmeißt beides weg, die Regeln und die Boni und vertraut darauf das sie trotzdem das richtige tun.
Die zunehmende Empathie ist meines Erachtens evolutionär bedingt. Wir entwickeln uns zu einer zunehmend emphatischen Menschheit. Und genau das wird auch der spannende Punkt werden. Ich glaube es wird schon recht bald 2 parallel existierende Menschenrassen oder wie man die nennen mag geben. Die sich anhand ihres Emphatie-Levels unterscheiden. So wie Homo Sapiens und Neanderthaler.
Wir sind in den letzten Jahren durch Internet etc einfach viel stärker in der Lage uns mit Wissen und Informationen zu versorgen, die Welt ist kleiner globaler geworden. Egal in welchem Zipfel der Welt man lebt, man hat die Möglichkeit mit Menschen aus der ganzen Welt zu kommunizieren. Ideen verbreiten sich schneller. Wir lernen mehr von einander. Ich seh das Internet nicht als Heilsbringer und muß auch in Zukunft kritisch hinterfragt werden, aber diese Entwicklung kann nicht rückgänging gemacht werden.
Zum Teil Jahrhunderte alte Ideen werden fast im Stundentakt auf den geschichtlichen Müllhaufen getragen. Unbegrenztes Wachstum in der Wirtschaft ? Das war doch ewig lang so sicher wie das Amen in der Kirche. Nun fangen mehr und mehr Länder an sich mit der Frage zu beschäftigen, wie ein Wirtschaftssystem aussehen kann, das nicht mehr unbegrenzt wächst.
Das Problem mit den Sticks und den Carrots gibts natürlich auch in der Religion. Wahrscheinlich auch der Grund warum ich mit Religion schon immer meine Schwierigkeiten hatte. Tu das laß jenes sonst gibts entweder Hölle oder Paradies. Ich vermute es wird künftig - wenn auch noch nicht morgen oder übermorgen - auch für die Religionen schwierig auf der Basis weiterzumachen. Die Menschen werden das mehr und mehr hinterfragen.
Als wir im Sommer auf dem Pink-Konzert waren in München ist mir das richtig bewußt geworden. Von der S-Bahn Riem war es bis zum Konzert-Gelände ein gutes Stück zu gehen. Nach dem Ende des Konzertes hatten Polizei und Veranstalter sich überlegt einen Zaun aufzustellen der die Leute auf dem Gehweg hält, damit die Straße für die Shuttle-Busse frei ist. In der Theorie eine super Idee. Alles war geplant für einen schnellen reibungslosen Ablauf. Gehweg lang gehen, in den Bus einsteigen der auf der Straße dann wendet und zur S-Bahn fährt und wieder zurück. Leider haben weder Polizei noch Veranstalter damit gerechnet, das Menschen heutzutage nicht mehr bereit sind einfach Regeln zu folgen, wenn sie ihren Sinn nicht verstehen. Die Leute sind aus dem Stadion geströmt, sehen einen Zaun der den Menschenstrom kanalisiert und somit erstmal langsamer macht, den Bus vorne konnten sie nicht erkennen, daher haben sie kurzerhand die Zäune umgeworfen.
Klar, damit haben sie sich selbst den reibungslosen Transport kaputt gemacht. Der Fehler liegt nicht im Aufstellen des Zaunes meines Erachtens aber auch nicht daran das Leute hinterfragen was sie nicht verstehen und ggf auch gegen Anweisungen handeln. Der Fehler den Polizei und Veranstalter gemacht haben war, die Menschen nicht entsprechend über den Sinn zu informieren.
Menschen wollen wissen wieso und weshalb sie etwas tun sollen. Das Unglück auf der Loveparade letztes Jahr hat denke ich ganz ähnliche Gründe.
Die Menschen werden weniger und weniger einfach folgen. Das Zuckerbrot wird noch eine Weile funktionieren, die Peitsche wird es als erstes treffen. Die wird zunehmend schwieriger umsetzbar sein. Und das ist auch gut so. Wir müssen anfangen den Menschen zu zutrauen vernünftig zu handeln auch ohne diese alten Methoden. Und das ist möglich. Die wachsende Emphatie hat ja auch mit Vernunft zu tun.
Es wird zunehmend Menschen geben die das Richtige tun wollen. Nicht das was man von ihnen erwartet, nicht das was alle tun, sondern das was ihrem persönlichen Empfinden nach das moralisch richtige ist. Und zum Glück sind die nachkommenden immer emphatischeren Generationen bereits jetzt viel moralischer, viel mehr daran interessiert das Richtige zu tun als die Menschen die momentan zum Teil noch das Sagen haben.
Und wir sind als Menschheit auch darauf angewiesen das das so kommt. Denn wenn Länder wie China, Indien etc einfach den gleichen alten Weg nachlatschen den die westlichen Nationen gegangen sind, dann hats die Erde die längste Zeit gegeben.
Klar können wir uns nicht hinstellen und sagen wir durften unbegrenztes Wirtschaftswachstum leben und ihr dürft es nicht und müßt in Armut verharren. Aber wir sind darauf angewiesen, das diese Länder vernünftig und clever wachsen. Die müssen ja auch nicht Grammophon, Schallplattenspieler, Tonbänder etc erst noch nachbauen, sondern die springen ja gleich auf den MP3 Player. Idealerweise überholen sie uns aber sogar in einigen Dingen wie zB einem cleveren Umgang mit den auf der Erde existierenden Ressourcen.
Diese cleveren neuen künfigen Ideen, sowas gibt es nicht nur global und groß und in der Politik, das muß sich auch schon im Kleinen so entwickeln. Klar kümmer ich mich jetzt darum das unser firmeninternes stick&carrot oder auch Commission System endlich fehlerfrei im Alltag läuft, verbesser es etc - aber immer mit dem Wissen, das das ein System ist, das demnächst obsolet ist.
Wie kann ein Wirtschaftssystem ohne unbegrenztes Wachstum aussehen ?
Wie motiviert man Menschen ihr ohnehin bereits vorhandenes moralisches Gewissen, ihre Lust das richtige zu tun rauszulassen ?
Wir Menschen wollen doch das Richtige tun. Wir wollen gut sein - und sind es eigentlich auch. Wir haben uns nur Systeme geschaffen die uns oft noch daran hindern das richtige zu tun.
Wir wollen die Erde nicht zerstören. Wir wollen friedvoll miteinander leben. Deshalb ist ein erster Schritt dahin die Sticks and Carrots schon mal wegzuwerfen und anfangen den Menschen zu vertrauen, statt sie an jeder Ecke zu kontrollieren, zu maßregeln und ihnen mit Karotten-Entzug zu drohen, wenn sie nicht spuren.
So - jetzt könnte ich endlich schlafen gehen. Jetzt hab ich den Kopf erstmal leer geschrieben ;)
Gute Nacht !
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